Beitragsspirale dreht sich weiter

Sechs Krankenkassen beantragen Beitragssatzerhöhung ab Juli 2025

04.06.2025·Schon im Februar, April und Mai 2025 haben insgesamt acht Krankenkassen unterjährig ihre Beitragssätze angehoben - teilweise wenige Monate nach der letzten Erhöhung. Zum Juli haben nun weitere sechs Krankenkassen eine Anhebung des Zusatzbeitragssatzes beantragt. Dies hat die Vorstandschefin des GKV-Spitzenverbandes, Dr. Doris Pfeiffer, gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) erklärt. Einen großen Anteil an den Beitragssteigerungen habe die Politik.

Ursächlich für die Notwendigkeit immer weiterer Beitragssteigerungen seien vor allem eine ausgabenorientierte Politik der Gesundheitsminister Hermann Gröhe, Jens Spahn und Karl Lauterbach in den letzten zehn Jahren sowie ausgebliebene strukturelle Reformen und eine deutliche Zunahme an versicherungsfremden, gesamtgesellschaftlichen Leistungen zu Lasten der Beitragszahler.

Um das Übergewicht an Ausgaben ohne deutliche Beitragserhöhungen zu finanzieren, wurden die Krankenkassen zum Abbau ihrer milliardenschweren Rücklagen verpflichtet. Im Zuge einer anhaltend dynamischen Ausgabenentwicklung rutschte die GKV insgesamt jedoch zuletzt weit ins Minus (Defizit 2024: 6,2 Milliarden Euro), sodass zahlreiche Kassen trotzdem die Beitragssätze anheben mussten. Insgesamt 82 Krankenkassen haben ab Januar 2025 erhöht. Weitere zehn Kassen hatten kurz zuvor im Oktober und November 2024 erhöht.

Künftige Überschüsse als "Reparaturkosten"

Kritisch sieht Pfeiffer dabei, dass die Finanzreserven von einst 21 Milliarden Euro (Ende 2018) mit aktuell rund 2 Milliarden Euro bzw. 7 Prozent einer Monatsausgabe unter die gesetzliche Mindestreserve von 20 Prozent einer Monatsausgabe geschrumpft seien. Dadurch, dass die Kassen gezwungen sind, ihre Mindestreserven wieder aufzufüllen, wird es zu einem auf den ersten Blick paradoxen Effekt kommen, erklärt Pfeiffer. In den nächsten Monaten würden nach den Beitragsanhebungen Überschüsse bei den Kassen zu sehen sein. "Das ist nicht, weil es den Kassen so gut geht." Die Erhöhungen seien "Reparaturkosten" eines politisch erzwungenen Abbaus der einst hohen Reserven.

14 Kassen erhöhen unterjährig den Beitragssatz

Der aktuelle Aufwärtstrend bei den Beitragssätzen der Krankenkassen setzt sich zur Jahresmitte 2025 fort. Bereits zum 01.02.2025 haben die IKK Innovationskasse um 0,50 Punkte auf 18,20 Prozent und die BKK Merck um 0,80 Punkte auf 17,80 Prozent erhöht. Zum 01.04.2025 haben dann die BKK Salzgitter um 0,7 Punkte auf 3,5 Prozent, die mhplus Krankenkasse um 0,73 Punkte auf 17,79 Prozent, die BKK24 um 1,14 Punkte auf 18,99 Prozent und die BKK VerbundPlus um 1,04 Punkte auf 17,89 Prozent angehoben. Die IKK hatte ihren Beitragssatz zuletzt am 01.11.2024 erhöht, die BKKn Salzgitter und VerbundPlus am 01.01.2025 und die BKKn Merck, mhplus und 24 am 01.10.2024. Zum 01.05.2025 haben dann zuletzt die BKK firmus um 0,34 Punkte auf 16,78 Prozent und die BKK Scheufelen um 0,65 Punkte auf 18,00 Prozent angehoben. Die BKK Firmus hatte zuletzt am 01.01.2025 erhöht, die BKK Scheufelen am 01.10.2024. Mit den bisher nicht namentlich angekündigten zusätzlichen sechs Krankenkassen müssten bis zur Jahresmitte 2025 insgesamt 14 der 93 Krankenkassen eine unterjährige Beitragskorrektur vornehmen.

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GKV-Spitzenverband fordert Ausgabenmoratorium

"Wenn die Politik nicht umgehend handelt, dreht sich die Beitragsspirale einfach weiter", warnte Pfeiffer. Das würde für Millionen Versicherte und deren Arbeitgeber spätestens Anfang 2026 erneut deutlich steigende Krankenkassenbeiträge bedeuten.

Der GKV-Spitzenverband drängt deshalb auf schnelles Handeln. "Nach zehn Jahren einer Gesetzgebung, die vor allem steigende Ausgaben verursachte, brauchen wir einen grundlegenden Kurswechsel in der Gesundheitspolitik", erklärte zuletzt Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes, gegenüber dem Westfälischen Anzeiger. "Die Gesundheitspolitik der letzten zehn Jahre kannte viele Gewinner und einen Verlierer. Gewinner waren z. B. die Krankenhäuser, die so viel Geld erhielten wie noch nie. Gewinner war auch die Pharmaindustrie mit gewaltigen Einnahmesteigerungen und Gewinner waren die Ärztinnen und Ärzte mit überproportional gestiegenen Honoraren. Verlierer waren die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler, die das alles durch hohe Beitragssatzsteigerungen bezahlen müssen."

Der GKV-Spitzenverband fordert deshalb: "Wir brauchen erstens ein Ausgabenmoratorium. Das bedeutet im Klartext: Keine Preis- oder Honorarerhöhungen mehr, die über die laufenden Einnahmen hinausgehen", erklärte Pfeiffer gegenüber der NOZ. Das Moratorium müsse gelten, bis durch geeignete Strukturreformen Einnahmen und Ausgaben wieder in ein Gleichgewicht gebracht worden seien. Zweitens müsse die medizinische Versorgung der Bürgergeld-Bezieher endlich fair - also aus Steuermitteln - finanziert werden. "Drittens braucht unser Gesundheitswesen durchgreifende Strukturreformen, damit sich das medizinische und pflegerische Versorgungsangebot nach dem Bedarf der Patientinnen und Patienten richtet", so Pfeiffer. Nicht nur die Geldnot, auch die Alterung der Gesellschaft und der Ärzte- und Pfleger-Mangel erzwinge nachhaltige Strukturverbesserungen.

Erstattung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben

Auch der Staat müsse seiner finanziellen Verantwortung mehr gerecht werden. So seien die vom Bund aus Steuermitteln zu tragenden Kassenbeiträge für Bürgergeldempfänger jährlich rund 10 Milliarden Euro zu niedrig. Alleine dies entspreche etwa 0,5 Beitragssatzpunkten. "Noch problematischer" als in der GKV sei laut Pfeiffer die Finanzlage der sozialen Pflegeversicherung. Im Status quo seien spätestens im zweiten Halbjahr 2025 weitere Liquiditätshilfen nötig. Bislang seien diese nur bei einer Kasse notwendig geworden. Pfeiffer rief die Politik auf, die Schulden des Bundes bei der Pflegeversicherung aus der Corona-Pandemie in Höhe von 5 Milliarden Euro zu begleichen. Zudem müsse der Bund die Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige übernehmen. Auch dies sei eine gesamtgesellschaftliche und damit versicherungsfremde Leistung, die aus Steuermitteln gezahlt werden müsse.


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