Antrag im Bundestag

Ausweitung der Beitragspflicht und Berechnung der Kassenbeiträge bis 15.000 Euro pro Monat

10.06.2025·Mit einem Antrag im Bundestag fordert die Partei "Die Linke" die "unverzügliche" Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) in der gesetzlichen Krankenversicherung von derzeit 5.512,50 Euro auf 15.000 Euro pro Monat. Die Folge wären Kassenbeiträge bis über 30.000 Euro pro Jahr. Künftig sollen zudem alle Einkunftsarten der Mitglieder beitragspflichtig werden. Der Vorstoß der Linken spielt kleine gegen größere Einkommen aus, löst dabei aber kein einziges Problem nachhaltig. Gefördert würden zusätzliche Bürokratie und Ungerechtigkeiten innerhalb der GKV.

Die strukturelle Reform der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) mit dem Ziel einer höheren Effizienz und Demografiefestigkeit steht ungelöst seit mindestens zehn Jahren auf der Agenda der Gesundheitspolitik. Mit immer mehr "älteren" Leistungsbeziehern, immer weniger "jungen" Beitragszahlern und einer stark dynamischen Kostenentwicklung gerät das bisherige Solidaritätsprinzip der GKV zunehmend unter Druck. Die letzten drei Gesundheitsminister Gröhe, Spahn und Lauterbach reagierten vor allem mit Beitragserhöhungen. Die damit stetig steigende Beitragslast verteuert jedoch die Lohnnebenkosten des Wirtschaftsstandorts Deutschland auf mittlerweile deutlich über 40 Prozent. Wandern Wirtschaftsunternehmen ins günstigere Ausland ab, führt dies erneut zu Mindereinnahmen in den deutschen Sozialkassen und der negative Kreislauf nimmt weiter Fahrt auf.

SPD, Grüne und Linke fordern höhere Beitragseinnahmen

Auf verschiedenen Wegen kommen SPD, Grüne und Linke regelmäßig auf das Thema Bürgerversicherung zurück. Mal über die Versicherungspflicht für alle, mal über höhere Beiträge für "Besserverdiener". Gemein haben die Vorstellungen aller drei Parteien die Ausweitung der bisherigen GKV auf eine breitere Basis an Pflichtversicherten. Strukturelle Probleme bleiben hierdurch zunächst ungelöst.

Schon im Wahlkampf forderte die SPD eine Mehrbelastung höherer Einkommen in der GKV. Im Amt des Wirtschaftsministers legte Robert Habeck im Januar 2025 für die Grünen nach. Er forderte die weitergehende Verbeitragung von Einnnahmen aus Kapitalerträgen. Nun fordert Die Linke mit Antrag vom 03.06.2025 im Bundestag die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze auf zunächst 15.000 Euro monatlich und perspektivisch deren Abschaffung sowie die Verbeitragung aller Einkunftsarten.

Wie bei der Steuerberechnung, wären damit alle Einkunftsarten bei der Zahlung von Beiträgen an die Krankenkasse zu berücksichtigen. Zugleich stiege der Höchstbeitrag in der GKV bei einem Zusatzbeitragssatz von 2,9 Prozent von 964,69 Euro um 1.660,31 Euro auf 2.625,00 Euro pro Monat bzw. 31.500 Euro pro Jahr. Zwar wäre es durch diese Maximalbeiträge möglich, den Beitragssatz etwas abzusenken und dadurch kleinere Einkünfte zu entlasten. In Summe dient die Anhebung der BBG jedoch dazu, mehr Beiträge ins System zu spülen - auch zu Lasten der Wirtschaft für gezahlte Entgelte oberhalb der aktuellen BBG.

Die Beitragsbemessungsgrenze als soziale Komponente

Die BBG dient der sozialen Gerechtigkeit innerhalb des umlagefinanzierten Beitragssystems der GKV. Sie sorgt dafür, dass Personen mit höheren Entgelten stärker belastet werden als Personen mit geringeren Entgelten. Gleichzeitig schützt sie, wie bei der Steuer durch den Steuerhöchstsatz, vor überproportional hohen Beiträgen. Daneben schafft die BBG als transparente Obergrenze eine finanzielle Planbarkeit und eine deutliche Erleichterung für die Verwaltung bei der Berechnung der Beiträge aus höheren Einkommen.

Über die Beiträge zur Krankenkasse hinaus werden höhere Einkommen auch heute schon stärker zur Finanzierung der GKV herangezogen als kleinere Einkommen. Die aus ihnen zu zahlenden Steuern werden vom Staat auch für den Bundeszuschuss an die GKV verwendet. Mit dem Bundeszuschuss trägt der Bund zur Finanzierung der gesamtgesellschaftlichen und damit versicherungsfremden Leistungen der Krankenkassen bei. Würde dieser erhöht, was unstrittig richtig wäre, würden höhere Einkommen auf Steuerseite automatisch mehr belastet als geringere. Im Unterschied zur geforderten Anhebung der BBG, bei gleichzeitigem Einbezug aller Einkommensarten in die Beitragspflicht, wäre aber keine neue Bürokratie notwendig.

Linken-Vorschlag treibt Bürokratie bei Krankenkassen

Würde man dagegen die Beitragspflicht zur GKV auf alle Einkünfte der Mitglieder ausweiten, würde sich hieraus ein deutlicher Mehrbedarf an Bürokratie bei den Krankenkassen ergeben. Die Festsetzung der Beiträge würde die genaue Kenntnis über Einkünfte zum Beispiel aus Kapitalvermögen oder Vermietung und Verpachtung bedingen. Diese sind dem Finanzamt bisher jährlich nachzuweisen und liegen damit erst deutlich später mit dem Steuerbescheid vor. Im Zweifel wäre also eine Beitragsschätzung mit anschließender Korrektur notwendig.

Dies macht einen zweiten verwaltungstechnisch aufwändigen Umstand deutlich. Die Beiträge werden zur Berechnung von Lohnersatzleistungen wie dem Krankengeld herangezogen. Da jedoch Einnahmen aus Kapitalerträgen und Vermietung auch bei Arbeitsunfähigkeit erzielt werden können, müsste hier eine Differenzierung bei der Berechnung des Krankengeldes als Lohnersatz durch Krankheit greifen. Erwirtschaftet ein Selbstständiger monatlich 9.000,00 Euro Arbeitseinkommen und 7.000,00 Euro aus Vermietungen, so wäre er bei einer BBG von 15.000,00 Euro mit genau diesem Betrag beitragspflichtig. Würde er dann durch Krankheit arbeitsunfähig, stünde ihm nach den bisherigen Regeln Krankengeld zu, welches nach der BBG bemessen wird. Der Selbstständige würde unter Beibehalt seiner Einnahmen aus der Vermietung zusätzlich Krankengeld aus 15.000 Euro beziehen und hätte damit höhere Einnahmen als ohne Arbeitsunfähigkeit. Ungerecht wäre jedoch auch, nur den Beitragsanteil aus dem Arbeitseinkommen für die Berechnung des Krankengeldes heranzuziehen, da bei der Beitragszahlung alle Einkünfte berücksichtigt werden. Die Beiträge aus Vermietung müssten dann ersatzweise mit dem "ermäßigten" Beitragssatz, also ohne Anspruch auf Krankengeld, berechnet werden. Für die Krankenkassen würde die Beitragserhebung und Leistungsgewährung also erheblich verwaltungsintensiver und bürokratisch aufwändiger.

Krankenkassen würden zum zweiten Finanzamt

Für die Beitragsbemessung hätten die Krankenkassen zwar die Möglichkeit des Zugriffs auf den Steuerbescheid des Mitglieds. Dieser wird jedoch in vielen Fällen erst Jahre später vom Finanzamt ausgestellt (bei Selbstständigkeit oftmals rund zwei Jahre). Bei der Berechnung des Krankengeldes könnte also weder das genaue Einkommen, noch eine Quotierung der Einkunftsarten erfolgen. Bisher werden Beiträge von Selbstständigen nachträglich angepasst, sobald der Steuerbescheid vorliegt. Dies müsste dann auch mit Lohnersatzleistungen erfolgen, was finanzielle Unsicherheiten beim Mitglied und einen enormen Mehraufwand an Bürokratie bei den Kassen bedeuten würde.

Völlig unberücksichtigt hiebei bleibt die Frage des Verlustes aus einer Einkommensart, auch über mehr als ein Jahr hinweg. Wenn die Linken alle Einkommensarten bis zunächst 15.000 Euro verbeitragen wollen, müssten auch negative Einkünfte aus Vermietungen mit dem (positiven) Arbeitseinkommen verrechenbar sein. Nur so wäre eine der finanziellen Leistungsfähigkeit des Mitglieds entsprechende Verbeitragung möglich. Sollten die Negativeinkünfte eines versicherungspflichtig Beschäftigten zum Beispiel durch eine Sanierungsmaßnahme im Mietobjekt höher sein als sein Arbeitsentgelt, stellt sich die Frage nach der Beitragspflicht und möglichen Ansprüchen auf Krankengeld aus Negativeinkünften.

Vorschlag geht an sozialer Gerechtigkeit vorbei

Der Antrag der Linken lässt damit völlig offen, wie bei einer deutlich höheren BBG die Beitragsgerechtigkeit erhalten bleiben kann. Aktuell werden höhere Einkommen ja nicht nur bei der GKV-Beitragsberechnung und den Steuern stärker belastet, sondern auch durch die Notwendigkeit zur privaten Zusatzabsicherung von Entgeltersatzleistungen oberhalb der BBG. Vor allem bei der Ausweitung der Beitragspflicht auf alle Einkunftsarten wäre die Gerechtigkeit in Frage gestellt. Hinzu käme eine nicht unerhebliche zusätzliche Belastung aller Beitragszahler durch die Notwendigkeit einer zu den Finanzämtern in großen Teilen redundanten und überbordenden Bürokratie bei den Krankenkassen.

Die Lösung könnte einfach sein - auch mit dem Anspruch, dass höhere Einkommen noch stärker als heute und ohne neue Bürokratie zur Finanzierung der GKV herangezogen werden. Würde der Staat seine bei den Krankenkassen in Form von versicherungsfremden Leistungen in Auftrag gegebenen gesamtgesellschaftlichen Aufgaben in voller Höhe über den Bundeszuschuss erstatten (bis zu 60 Milliarden Euro, vgl. "Links zum Thema"), wäre genau dies der Fall. Zudem gäbe es kein akutes Finanzproblem in der GKV. Es ergäbe sich Zeit für Reformen, die neue und effiziente Versorgungsstrukturen, die demografische Entwicklung und den Klimawandel nachhaltig berücksichtigen.


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